COVID-19 und Sepsis

COVID-19 betrifft uns alle. Die Pandemie hat zu gravierenden Einschränkungen im öffentlichen und privaten Leben geführt. Dabei zeigt sich, dass COVID-19 eine virale Sepsis auslösen kann. Auf dieser Seite finden Sie Hintergrundinformationen auf Basis von aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Thema COVID-19 und Sepsis.

Die schweren Verlaufsformen von COVID-19 führen zu Sepsis.

 

Illustration Sepsis COVID-19

Grundsätzlich kann jede Infektion zu einer Sepsis führen. Drei große wissenschaftliche Gesellschaften haben dies in einer gemeinsamen Publikation noch einmal verdeutlicht : COVID-19 führt in vielen Fällen zu einer Sepsis, die dann zum Versagen mehrerer Organsysteme und damit zu einer rasante Verschlechterung führen kann, die häufig tödlich endet (1).

Studien zufolge zeigen ein Viertel der Menschen, die wegen einer COVID-19 Erkrankung im Krankenhaus behandelt werden müssen, Zeichen einer viralen Sepsis. Über 75% dieser Patientinnen und Patienten müssen wegen des mit der Sepsis einhergehenden Versagens eines oder mehrerer Organe auf der Intensivstation behandelt werden (2). Die Hauptursachen für die schweren Organschädigungen in der Akutphase von schweren COVID-19 Verläufen werden vorwiegend, ebenso wie bei Sepsis durch andere Erreger, von den überschießenden Immunreaktionen des eigenen Körpers verursacht.

Illustration Sepsis und COVID Hände desinfizieren

Ähnlich wie bei Sepsis durch andere Ursachen leiden viele der COVID-19-Betroffenen noch lange nach dem Abklingen der akuten Erkrankung unter einer Reihe von oft länger andauernden körperlichen und psychischen Beschwerden. 75% der Betroffenen leiden nach einer akuten Infektion mit dem Coronavirus an verschiedenen Folgen (3). Diese  „Long-Covid“ Beeinträchtigungen in Folge einer Covid-19 Infektion können nahezu alle Organsysteme und Funktionen des Körpers betreffen.

Im Vordergrund stehen Beschwerden wie Erschöpfung und Fatigue, anhaltende Luftnot und Atembeschwerden, kardiale Einschränkungen, kognitive Schwierigkeiten wie Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung, Muskel- und Kopfschmerzen (4).  Was viele nicht wissen, ist, dass sich auch hier der Zusammenhang zwischen Covid-19 und Sepsis zeigt: Sepsisfolgen wurden in den USA schon vor mehr als 10 Jahren als versteckte Gesundheitskatastrophe bezeichnet und werden als „Post-Sepsis-Syndrom“ und damit als eigenständiges, komplexes chronisches Krankheitsbild charakterisiert . Das „Long-Covid-Syndrom“ ist in Art und Häufigkeit der Folgen einer Sepsis durch andere Erreger sehr vergleichbar und tritt ebenfalls auch schon bei leichteren Krankheitsverläufen ohne intensivmedizinische Behandlung auf. (4)

Informationen für Ärzte

Was deutet darauf hin, dass sich aus einer COVID-19-Infektion eine lebensbedrohliche Sepsis entwickelt, die sofortige ärztliche bzw. notärztliche Hilfe erfordert?

 

Das wichtigste Symptom für eine Verschlechterung bei Vorliegen oder dem Verdacht auf eine COVID-19-Infektion ist, wenn sich zusätzlich zu den grippeähnlichen Zeichen von COVID-19 wie trockenem Husten, Geruchs- und Geschmacksverlust oder Fieber zusätzlich Verwirrtheit/Wesensveränderung, eine erhöhte Atemfrequenz (>20/min) und / oder eine erschwerte Atmung entwickeln. Oft kommt dann ein nie gekanntes schweres Krankheits- und Schwächegefühl dazu.

Diese Symptome erfordern eine engmaschige Überwachung der Patientinnen und Patienten im Krankenhaus und meist eine Behandlung auf der Intensivstation. Dies gilt insbesondere dann, wenn weitere Symptome auftreten, die auf zusätzliche Organfunktionsstörungen hindeuten, wie Lethargie, Erhöhung der Herzfrequenz, Blutdruckabfall oder verringerte Urinausscheidung. COVID-19 kann bis zum kompletten Lungenversagen (ARDS) und Herzkreislaufversagen (septischer Schock) führen. Diese für Sepsis typischen Zeichen eines Multiorganversagens treten bei ca. 2-5% der an COVID-19 Erkrankten nach ca. 8-10 Tagen auf.

Allgemeine Informationen zu COVID-19 und Sepsis

1 Welche Zusammenhänge gibt es zwischen COVID-19 und Sepsis?

Laut einem aktuellen Review, welches über 150 Studien zu COVID-19 eingeschlossen hat, erfüllen fast ein Drittel aller im Krankenhaus behandelten Patienten mit COVID-19 die Kriterien einer Sepsis, für die auf der Intensivstation therapierten Patienten sind dies knapp 80% (2). Ein frühes Erkennen und Behandeln einer Sepsis ist enorm wichtig in der COVID-19-Behandlung. Ähnlich wie bei Sepsis anderer Ursachen leidet eine große Zahl der COVID-19-Betroffenen noch lange nach dem Abklingen der akuten Erkrankung unter einer Reihe von oft länger andauernden Störungen.

Die als „Long-Covid“ bekannten Folgen von COVID-19 sind Sepsisfolgen (5) sehr ähnlich, und beinhalten Beschwerden wie Erschöpfung und Fatigue, anhaltende Luftnot bei Belastung und Atembeschwerden, kardiale Einschränkungen, kognitive Schwierigkeiten wie Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung, Muskel- und Kopfschmerzen (4). Das Long-Covid- und das Post-Sepsis-Syndrom sind in Art und Häufigkeit weitgehend identisch, und treten auch bei leichteren Krankheitsverläufen ohne intensivmedizinische Behandlung ähnlich häufig auf.

Dies ist der Grund warum die Global Sepsis Alliance (GSA) zusammen mit den weltweit führenden europäischen und amerikanischen Gesellschaften für Intensivmedizin auf die zahlreichen Synergien zwischen dem Kampf gegen COVID-19 und der Bekämpfung von Sepsis durch andere Infektionskrankheiten und Erreger hingewiesen und die politischen Entscheidungsträger aufgefordert haben, ihre Anstrengungen in gleicher Weise auch auf den Kampf gegen die endemische, nicht im Lampenlicht der Öffentlichkeit stehende Sepsis zu richten (1).

 

Das Virus ist zuerst vor allem in den oberen Atemwegen und im Rachen nachweisbar. Von dort aus wird es beim Husten, Niesen, Sprechen und Singen über virushaltige Flüssigkeitspartikel von Mensch zu Mensch übertragen. Man unterscheidet Tröpfchen (>5µm) und Aerosole. Je enger Menschen räumlich zusammen sind, desto eher kann das Virus übertragen werden. Das Ansteckungsrisiko ist besonders im Umkreis von 1-2 m um eine infektiöse Person erhöht.

Deshalb ist es für die Unterbrechung dieses Übertragungswegs besonders wichtig, Abstand von anderen Menschen zu halten. Diese Distanz kann sich in kleinen, schlecht belüfteten Räumen erhöhen, da sich die Aerosole im Raum anreichern und verteilen können. Eine Ansteckung durch Kontaktübertragung, zum Beispiel von kontaminierten Oberflächen, ist möglich, jedoch handelt es sich hierbei nicht um den Hauptübertragungsweg. Unter Laborbedingungen konnten SARS-CoV2-Viren auf Flächen einige Zeit infektiös bleiben. Für die Unterbrechung dieses Übertragungswegs ist es besonders wichtig, sich oft und gründlich die Hände zu waschen. Da das Virus fettlöslich ist, wird es auch durch normale Seife, Spül- und Waschmittel abgetötet.

COVID-19 verläuft vor allem bei älteren Menschen über 60 Jahren und bei Patienten mit chronischen Vorerkrankungen schwerer, und wie auch bei Sepsis anderer Ursache ist das Risiko für eine COVID-19-bedingte Sepsis bei diesen Patientinnen und Patienten höher. Dies wurde bereits früh in der Pandemie erkannt. Wie bei Sepsis durch andere Ursachen treten bei Patienten und Patientinnen mit Diabetes, chronischen Nieren- und Lungenerkrankungen (z.B. chronisch obstruktive Bronchitis (COPD)), sowie Herz-Kreislauferkrankungen schwerere Erkrankungsverläufe auf und die Sterblichkeit ist deutlich höher als bei jüngeren Patienten und solche ohne Vorerkrankungen. (6)

Im Gegensatz zur Sepsis gehören Neugeborene und Kinder jedoch nicht zu den Risikogruppen für einen schweren Verlauf von COVID-19. Schwere Verläufe sind bei Kindern und Jugendlichen seltener. Es zeigt sich jedoch, dass die nicht geimpften Kinder und Jugendlichen häufiger durch die neuen Virusvarianten erfasst werden als geimpfte Erwachsene und auch bei diesen schwerere Krankheitsverläufe auftreten können.

 

Sepsis-Überlebende haben ein höheres Risiko, erneut an einer Infektion zu erkranken. Veränderungen in der Funktion des Immunsystem nach einer Sepsis scheinen hier ursächlich eine Rolle zu spielen (5). Menschen, deren Immunsystem nur eingeschränkt funktioniert, können Virusinfektionen schlechter abwehren.

Es ist daher wahrscheinlich, dass COVID-19 bei Sepsis-Überlebenden ähnlich wie bei Angehörigen anderer Risikogruppen einen schwereren Verlauf nehmen kann. Menschen die eine Sepsis durchgemacht haben sollten sich deshalb in jedem Fall durch Impfungen gegen COVID-19 und auch gegen Influenza und Pneumokokken schützen.

Bei Verdacht auf oder bei Vorliegen von COVID-19 ist das wichtigste Warnsignal, bei dem man sofort notärztliche Hilfe anfordern sollte, eine erhöhte Atemfrequenz (ab 20 Atemzüge/min.) und/oder eine erschwerte Atmung, die keine andere Ursache hat.

Weitere wichtige Zeichen, die allein oder zusammen vorkommen können, sind ein extremes, noch nie erlebtes Krankheitsgefühl, ein sehr schneller Herzschlag und ein niedriger Blutdruck, blasse, marmorierte Haut, und/oder Fieber. All diese sind Alarmzeichen für eine Sepsis, welche sofortige medizinische Hilfe nötig machten. Rufen Sie die 112 und fragen Sie, nach ob es Sepsis sein könnte. Sagen Sie, dass sie an COVID-19 erkrankt sind oder Verdacht auf die Erkrankung besteht, damit die Rettungskräfte sich entsprechend schützen können. Diese für Sepsis typischen Alarmzeichen eines Multiorganversagens treten bei ca. 2-5% der an COVID-19 Erkrankten nach ca. 8-10 Tagen auf.

COVID-19 ist eine Viruserkrankung. Die derzeit zugelassenen Medikamente gegen Viruserkrankungen haben bisher keine überzeugende Wirkung bei COVID-19-Patienten gezeigt. Antibiotika helfen nur gegen Infektionen mit Bakterien. Allerdings kann sich vor allem bei schwer kranken und auf der Intensivstation künstlich beatmeten COVID-19-Patienten zusätzlich zu der durch COVID-19 hervorgerufenen Lungenentzündung eine weitere Infektion durch Bakterien entwickeln. Dies nennt man auch bakterielle Superinfektion. Bei diesen Patientinnen und Patienten helfen dann Antibiotika, die bakterielle Superinfektion zu bekämpfen.

Die wichtigsten Frühsymptome für die Entwicklung eines schweren Krankheitsverlaufs bzw. einer Sepsis bei einer zunächst unkomplizierten COVID-19 Erkrankung unterscheiden sich nicht von den Frühzeichen für eine Sepsis anderer Ursachen!

Zu ihnen gehören eine erhöhte Atemfrequenz und / oder eine erschwerte Atmung, die keine andere Ursache hat, oft auch ein schweres, vorher kaum gekanntes Krankheitsgefühl, akute mentale Veränderungen wie Verwirrung oder Lethargie, Erhöhung der Herzfrequenz, Blutdruckabfall oder verringerte Urinausscheidung. Sehr schnell kann sich dann das Versagen weiterer Organsysteme wie Lungenversagen (ARDS), Herzkreislaufversagen (septischer Schock), Nierenversagen, schwere Gerinnungsstörungen und Leberversagen einstellen.

Mehrere Impfstoffe sind zugelassen und schützen sehr zuverlässig gegen schwere Verläufe von COVIVD-19. Die Impfung ist kostenlos verfügbar und von der Ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts für alle BürgerInnen und Bürger empfohlen.

• Abstand halten, vor allem von Personen mit Atemwegserkrankungen (mind. 1,5-2 m)
• Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung im ÖPNV, Geschäften etc.
• Vermeidung von Gesichtsberührungen
• Husten oder Niesen von anderen Menschen abgewandt in die Armbeuge oder in ein Einwegtaschentuch, und das möglichst schnell in einen geschlossenen Mülleimer entsorgen
• Regelmäßiges gründliches Händewaschen (20-30 Sekunden)
• Aufenthalt zu Hause, wenn man sich unwohl fühlt
• Sofortige medizinische Versorgung, wenn zusätzlich zu leichtem Fieber und Husten Atembeschwerden und starkes Krankheitsgefühl auftreten (Sepsisverdacht!)

(1)
European Society of Intensive Care Medicine (ESICM); Global Sepsis Alliance (GSA); Society of Critical Care Medicine (SCCM). Reducing the global burden of sepsis: a positive legacy for the COVID-19 pandemic? Intensive Care Med. 2021 Jul;47(7):733-736. doi: 10.1007/s00134-021-06409-y

(2)
Karakike E, Giamarellos-Bourboulis EJ, Kyprianou M, Fleischmann-Struzek C, Pletz MW, Netea MG, Reinhart K, Kyriazopoulou E. Coronavirus Disease 2019 as Cause of Viral Sepsis: A Systematic Review and Meta-Analysis. Crit Care Med. 2021 Jul 12. doi: 10.1097/CCM.0000000000005195. Epub ahead of print. PMID: 34259663.

(3)
Huang C, Huang L, Wang Y, Li X, Ren L, Gu X, Kang L, Guo L, Liu M, Zhou X, Luo J, Huang Z, Tu S, Zhao Y, Chen L, Xu D, Li Y, Li C, Peng L, Li Y, Xie W, Cui D, Shang L, Fan G, Xu J, Wang G, Wang Y, Zhong J, Wang C, Wang J, Zhang D, Cao B. 6-month consequences of COVID-19 in patients discharged from hospital: a cohort study. Lancet. 2021 Jan 16;397(10270):220-232. doi: 10.1016/S0140-6736(20)32656-8. Epub 2021 Jan 8. PMID: 33428867; PMCID: PMC7833295.

(4)
Crook H, Raza S, Nowell J, Young M, Edison P. Long covid-mechanisms, risk factors, and management. BMJ. 2021 Jul 26;374:n1648. doi: 10.1136/bmj.n1648. Erratum in: BMJ. 2021 Aug 3;374:n1944. PMID: 34312178.

(5)
Prescott HC, Angus DC. Enhancing Recovery From Sepsis: A Review. JAMA. 2018 Jan 2;319(1):62-75. doi: 10.1001/jama.2017.17687. PMID: 29297082; PMCID: PMC5839473.

(6)
Zhou F, Yu T, Du R, Fan G, Liu Y, Liu Z, Xiang J, Wang Y, Song B, Gu X, Guan L, Wei Y, Li H, Wu X, Xu J, Tu S, Zhang Y, Chen H, Cao B. Clinical course and risk factors for mortality of adult inpatients with COVID-19 in Wuhan, China: a retrospective cohort study. Lancet. 2020 Mar 28;395(10229):1054-1062. doi: 10.1016/S0140-6736(20)30566-3. Epub 2020 Mar 11. Erratum in: Lancet. 2020 Mar 28;395(10229):1038. Erratum in: Lancet. 2020 Mar 28;395(10229):1038. PMID: 32171076; PMCID: PMC7270627.