Grippe als Ursache für Sepsis – unterschätzt und häufig verkannt

Dass sich die saisonale Grippe zu einer tödlichen Sepsis/Blutvergiftung entwickeln kann, ist ebenso wenig bekannt, wie die Effektivität von Mehrfachimpfstoffen gegen Grippeviren und die Erreger der Lungenentzündung.

Sepsis ist die schwerste Komplikation und gemeinsame tödliche Endstrecke von Grippe und den meisten akuten Infektionserkrankungen. Dies erklärt die über 320.000 Behandlungs- und 75.000 Todesfälle der Sepsis, die 2015 von den deutschen Krankenhäusern gemeldet wurden. Sepsis gehört damit zu den größten medizinischen und gesundheitspolitischen Herausforderungen.

In der Grippesaison 2017/18 ist bisher die Zahl der in Deutschland registrierten Fälle auf fast 120.000 gestiegen. Die Dunkelziffer ist hoch und mit einem weiteren Anstieg ist zu rechnen. Die Zahl der Todesfälle schwankt von Grippesaison zu Grippesaison. In der Saison 2012/13 war die Zahl der mit Grippe assoziierten Todesfälle mit 22.000 – 28.000 in Deutschland besonders hoch. Das Grippevirus alleine ist dabei in der Lage eine tödliche Sepsis auszulösen.
Bei 80% – 90% der geschätzten 22 – 50 Millionen Grippetoten, die durch die „Spanischen Grippe“ (1918-20) ums Leben kamen, wurde eine bakterielle Superinfektion durch Erreger der Lungenentzündung nachgewiesen. Heute ist wissenschaftlich gesichert, dass das Grippevirus die Abwehrkräfte des Lungen-gewebes gegen Bakterien erheblich schwächt. Damit wird eine Superinfektion, welche sich zu einer Sepsis entwickelt, begünstigt.

Vorbeugung gegen Grippe und Sepsis wird unzureichend genutzt.
Impfungen bei Risikogruppen gegen Grippe und Pneumokokken, den häufigsten Erregern einer Lungenentzündung, können die Anzahl von Krankenhaus-einweisungen, schweren Lungenentzündungen und die Überlebenschancen verbessern. Die Impfrate für Risikogruppen, zu denen Menschen über 60 Jahren und chronisch Kranke sowie immungeschwächte Menschen gehören, liegt deutschlandweit unter der von der WHO empfohlenen Rate von mindestens 70%.

Das Fortschreiten einer Grippe zur Sepsis wird oft verkannt.
Kommen zu den typischen Grippesymptomen hohes Fieber, Schüttelfrost, Übelkeit, Abgeschlagenheit, Erbrechen, Durchfall und eines/mehrere der folgenden Frühzeichen einer Sepsis hinzu, besteht ein potentiell lebensbedrohlicher Zustand, der eine sofortige notfallmäßige Abklärung und Behandlung erfordert.

•Akute Verwirrtheit und Orientierungslosigkeit
•Nie gekanntes, schwerstes Krankheitsgefühl
•Kurzatmigkeit
•kalte oder heiße Extremitäten
•Schneller Puls
•Rückläufige Urinausscheidung

Prof. Dr. Konrad Reinhart, Senior-Professor am Center for Sepsis Control & Care am Universitätsklinikum Jena fordert: „Zur Grippe- und Sepsisvermeidung und Früherkennung müssen seitens der Bundesregierung und aller anderen Verantwortungsträger im Gesundheitswesen die gleichen, flächendeckenden Anstrengungen unternommen werden, die sich bei der Vorbeugung und Früherkennung von AIDS und anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen als sehr effektive erwiesen haben.“